Freitag, 13. Februar 2015

Femundlopet 2015 - Der Rennbericht von Michi



Bevor ich mit dem Bericht über dieses außergewöhnliche Rennen beginne,  möchte ich mich bei allen, die mich/uns unterstützt haben ganz herzlich bedanken. Ganz besonders natürlich bei Heike, die vor und während des Rennens Großartiges geleistet hat und ich durch ihre detaillierte Wetterprognose eine sehr ungemütliche Nacht im Orkan vermeiden konnte.

Mein  Dank geht auch an Tanja, Lore und Peter, die hier in Tjapps das Haus und die Hunde versorgt haben und wieder einmal ein tolles Presseteam waren.  Andrea und Eilert möchte ich auch nicht vergessen, die die Fahrdienste übernommen haben. 

Über die vielen Kommentare im Blog und auf Facebook haben wir uns sehr gefreut. Tack så mycket!

Die Vorbereitungen
Wie immer ist die Vorbereitung eines Rennes der stressigste Teil. Wir begannen schon zwei Wochen vorher und trotzdem wurde es am Tag vor der Abfahrt spät abends bis wir fertig wurden. Fleisch hacken, die Pflichtausrüstung für den Schlitten zusammensuchen, Beläge für den Rennschlitten mit einer Abziehklinge plan schleifen, Trockenfutter abpacken, 400 Booties abzählen und für jede Etappe eintüten, 10 kg Hühnchenfilets abkochen und klein schneiden,  Decken für die Hunde in die Depotsäcke stecken, schnell noch ein Bett fürs neue Busle bauen und dann noch das alte Busle mit dem neuen Busle von Arvidsjaur nach Tjapps transportieren. Der ganz normale Wahnsinn also! Ich habe aber noch lange nicht alles aufgezählt was es zu machen gab.

 
 

Die Anfahrt nach Röros
Wenn man sich dann frühmorgens ins Auto setzt und froh ist, dass es endlich losgeht und dann das Auto nicht startet, ist das Adrenalin gleich wieder in die Höhe geschossen. Zum Glück kann man in Tjapps auch morgens um halbsieben beim  Nachbarn anrufen (nein, nicht Eilert), der dann innerhalb von fünf Minuten vor der Haustüre steht und Starthilfe gibt.
Die knapp 800 Kilometer nach Röros auf vereisten Straßen waren dann ganz entspannend und wir konnten uns so langsam auf das Rennen einstellen.
In Röros hatten wir eine super gemütliche Hütte gemietet mit Holzofen und einem kleinen Wäldchen vor der Tür wo wir optimal das Stake-out für die Hunde aufbauen konnten. 

Schneller als 100 km/h sollte man nicht fahren ;-)
Endlich on the road to Röros.
Wohl ein bisschen zu schnell gefahren....
Vor dem Start
Wir mussten schon einen Tag vor dem Start am Freitag in Röros sein, da es dieses Mal Pflicht war, dass alle Hunde vor dem Rennen von Tierärzten untersucht werden mussten. Wir haben von den Tierärzten bestätigt bekommen, dass unsere Hunde in einem sehr guten Zustand sind und gut im Futter stehen. Vor dem Vet-Check war noch das einstündige Mushermeeting mit spärlichen Infos zur Strecke zu absolvieren. Am Tag vor dem Rennen ist das schönste, dass man viele alte Bekannte trifft, die man sonst das ganze Jahr nicht sieht.
Nach ein, zwei Bierchen sind wir am Abend ins Bett gekrochen und uns riesig gefreut, dass es morgen endlich losgeht.

Das Mushermeeting.
Der Start
Der Start war dieses Jahr total entspannt. Jetzt merkt man doch, dass Heike und ich schon einige Erfahrungen bei den Rennen gesammelt (es war das siebte Mal, dass wir am Femundlauf teilnahmen) und wir sind schon deutlich ruhiger geworden und das überträgt sich auch auf die Hunde.
Der Start war mitten in Röros mit vielen Zuschauern und einer perfekten Organisation mit vielen Helfern und einem Quad, so dass ich ganz kontoliert zur Startlinie fahren konnte. Dort stand ich mit einem fetten Grinsen im Gesicht, weil ich mich so gefreut habe, dass wir als Burning Snow Team endlich mal wieder an einem großen Rennen teilnehmen konnten.
Die Hunde sind wie die Raketen durch das Spalier von hunderten Zuschauern geschossen und nach einer Viertelstunde war  auf dem Trail Ruhe eingekehrt und mein Grinsen war immer noch nicht verschwunden. 

Noch 30 Minuten bis zum Start.
 

Noch eine Minute.
Los geht's!
Die Strategie
Zusammen mit Heike habe ich vor dem Rennen beschlossen, dass ich dieses Jahr die ersten zwei Etappen ganz entspannt angehe und die Hunde auf ein schönes Ausdauertempo runterbremse. Im ersten Checkpoint war eine Pflichtpause von 4 Stunden vorgeschrieben, was nach 75 km völlig ausreichend ist. Im zweiten Checkpoint Drevsjö haben wir eine fünfstündige Pause eingeplant. Am dritten Checkpoint Sövollen war die achtstündige Pflichtpause vorgesehen und für die weiteren Checkpoints haben wir die Pausenzeiten offen gelassen, je nachdem wie viel Rast die Hunde nötig haben werden.

Der Orkan Ole
Bis zum zweiten Checkpoint Drevsjö lief alles nach Plan: schönes Wetter, die Hunde haben ihren Rhythmus gefunden und haben gut gefressen. Es war aber auch klar, dass in der kommenden Nacht der Orkan Ole mit voller Wucht im Femundgebiet aufschlagen wird. Zusammen mit Heike, die die Wettervorhersagen genauestens studiert hat, habe ich beschlossen  die geplante Pause zu verkürzen um überhaupt eine Chance zu haben in den nächsten Checkpoint Sövollen zu kommen. 

Nach drei Stunden habe ich mich mit elf Hunden auf den Weg gemacht. Pelle musste ich rausnehmen, da ein Verdacht auf eine sich anbahnende Lungenentzündung bestand und diese sofort mit Antibiotika behandelt werden musste. Die Behandlung hatte auch umgehend Erfolg und Pelle war am nächsten Tag wieder voll fit.
Ich habe gewusst, dass die letzten 19 km der Etappe die Schlüsselstelle sein werden. Dort geht es in die Berge hoch und der Wind kommt immer im 90 Grad Winkel von rechts. Das war schon bei unseren vorherigen Rennen so. Auf der Hälfte der Etappe hat Fignon plötzlich anfangen zu humpeln und so musste ich den schweren Kerl in den Schlittensack stecken, was ihm natürlich gar nicht gefallen hat. 27 Kilo mehr im Schlitten und ein Hund weniger der zieht, das hat unser Tempo deutlich verlangsamt und ich habe gehofft, dass es mir zeitlich trotzdem noch reicht durch den Sturm zu kommen. 

Nach einem langen Ziehweg  stand  ein Schild mit der Aufschrift  „19 km till Sövollen“. Man biegt nach links um die Ecke und dann geht es steil Berg auf. Fignon hat in der Zwischenzeit im Schlittensack so Rabatz gemacht, dass ich ihn wieder ins Team gespannt habe. Und siehe da, das Humpeln war verschwunden.
Nach 2 km war ich über der Baumgrenze und der Wind hat so stark zugenommen, dass die Hunde Probleme hatten die Spur zu halten, weil sie immer wieder nach links abgetrieben wurden. Ich hatte bis dahin Nena und Sukker im Lead, aber da Nena noch jung ist und noch nie in so einem starken Sturm gelaufen ist, hat sie immer wieder gezögert und ist stehen geblieben. In dem Moment als ich Punki nach vorne gespannt habe, wurde ich von einem Norweger überholt. Er hat mich gefragt ob er auf mich warten soll, dass meine Hunde ihm folgen können. Da habe ich selbstverständlich nicht nein gesagt und wir sind 3 km gut vorangekommen. Dann ist der Wind wieder stärker geworden und wir hatten Probleme uns auf dem Schlitten zu halten. Die Leithunde des Norwegers versuchten immer dem Wind auszuweichen und sind im 90 Grad Winkel vom Trail weggelaufen. Die Sicht war in der Zwischenzeit so schlecht, dass ich stellenweise meine Leithunde, geschweige denn den Norweger vor mir, nicht mehrsehen konnte. Nachdem der Norweger es ein paar Mal geschafft hat, teilweise mit meiner Hilfe, sein Team auf den Trail zurückzuführen, war dann plötzlich totaler Stopp. Seine Hunde haben sich hingelegt und gestreikt.

Während ich noch überlegt habe ob ich die Führungsarbeit übernehmen sollte, ist plötzlich ein zweiter Norweger hinter uns aufgetaucht. Er hat uns überholt und gewartet bis wir mit unseren Teams wieder startklar waren. Im Zug sind wir wieder 3 km weiter gekommen. Ich war um jeden Meter froh, den wir vorankamen. Jetzt waren die Böen so stark, dass wir uns alle drei nicht mehr gesehen haben und die Hunde immer zögerlicher wurden. Wieder Vollstopp! Einer von den Norwegern hat es geschafft seine Hunde wieder zum Laufen zu bringen, aber er war im Nu im Nichts verschwunden. Jetzt waren wir noch zu zweit. Thomas S. Erlandsen war sein Name und er hat gemeint (Reden war nur mit Brüllen möglich), dass er eine Stunde warten wird und dann hofft, dass seine Hunde wieder laufen. Ich meinte, dass ich auf keinen Fall warten werde und gesagt, dass ich vor meinen Team bis zum Checkpoint laufe. Ich wollte auf keinen Fall stoppen, da ich wusste, dass der Orkan noch mindestens  zwölf Stunden wüten würde. Also habe ich mich vor meine Leithunde gestellt und bin losgelaufen. Das gab natürlich ein Riesengeknäuel bei den Hunden, aber das war mir egal. Als ich so ca. 200 Meter weit gekommen bin, hatte ich plötzlich die Leithunde von Thomas zwischen meinen Beinen. Seine Leithunde hatten beschlossen mir zu folgen und sind wieder in Schwung gekommen. Ich bin dann wieder dem anderen Team gefolgt und abwechselnd  haben wir uns vorangekämpft. Alle Hunde waren auf dem rechten Auge praktisch blind, weil der Schnee direkt von rechts kam und im Fell hängen blieb. Die Helden sind trotzdem weitergelaufen. 

Der Wind wurde immer noch stärker, was ich nicht für möglich gehalten hatte. Aber nachdem der Trail wieder Berg ab ging, habe ich gewusst, dass wir es geschafft haben. Die Hunde haben das auch gespürt und sind gerannt wie irre. Noch 4 km bis zum Checkpoint Sövollen! In mir kam unfassbare Freude und Dankbarkeit auf, dass die Hunde das geschafft haben. Nachdem Thomas  fünf Minuten nach mir im Checkpoint ankam, sind wir uns in die Arme gefallen und haben uns gegenseitig gedankt. Solche Erlebnisse schweißen zusammen und wir werden Musherfreunde auf Lebenszeit bleiben. 

Das Warten auf die Musher ist für die Handler sehr nervenaufreibend.


Kurz nach der Ankunft in Sövollen.

Als Heike mich im Checkpoint entdeckt hat, standen uns beiden Tränen der Freude in den Augen.
Jetzt hieß es schnellstens die Hunde mit Stroh, Decken und Futter zu versorgen. Das hatten sie sich wahrlich verdient. Die achtsündige Pflichtpause war uns allen herzlich willkommen. Die Fahrt sollte um halb zehn abends weitergehen. Nach drei Stunden Schlaf bin ich wieder raus zu den Hunden um sie nochmals zu füttern und nach dem Rechten zu schauen. Der Sturm ist in der Zwischenzeit auch über den Checkpoint gefegt, aber die Hunde hatten es im Stroh und unter ihren Decken sehr gemütlich und warm. In einer Stunde sollte es weitergehen und ich hatte auch keinen Zweifel daran. Mich hat nur ein wenig gewundert, dass weit und breit kein anderer Musher bei seinen Hunden zu sehen war. 

Nico und Nena
Beim Kaffee in der warmen Hütte, haben wir dann erfahren, dass das Rennen bis um sechs Uhr in der Früh gestoppt war. Es hatten nur acht Teams bis in einen Checkpoint geschafft, der Rest saß irgendwo fest und kam nicht mehr weiter. Sogar ein Robert Sörlie, der weit vor mir lag, kam nicht weiter und saß 5 km vor dem Checkpoint Orkelbogen im Orkan fest. Wenn das passiert, weiß jeder, dass die Lage wirklich ernst ist.
21 Uhr und um 6 Uhr der Neustart! Genügend Zeit um noch ein Gläschen Rotwein im sehr gemütlichen Pub zu trinken und ein wenig zu entspannen. Mein neuer Freund Thomas hatte schon einige Gläschen intus und wir haben auf unser Abenteuer angestoßen und uns gefreut, dass wir im Warmen sitzen.

Skål!
Hier lässt sich der Orkan gut aushalten.
Um 4 Uhr in der Früh sind Heike und ich wieder aus unseren Schlafsäcken gekrochen um uns über den neustens Stand der Dinge zu informieren. Die Entwicklung in der Nacht war dramatisch! Vier Jugendliche vom Junioren-Rennen wurden im Sturm vermisst und in der Zwischenzeit hatte sich die norwegische Polizei eingeschaltet. Die zwei Polizisten im Checkpoint hatten das Rennen für beendet erklärt, weil noch 40 Teams und die Jugendlichen irgendwo im Sturm verschollen waren. Zudem waren einige Autostraßen gesperrt, wo einige Handler in ihren Autos nicht weiterkamen. Rennabbruch! Zum ersten Mal in der Geschichte des Femundlopet!

Mit Anbruch der Helligkeit hat sich der Sturm ein wenig gelegt und die Suchmannschaften konnten sich mit ihren Schneemobilen auf den Weg machen um die vermissten Fahrer zu suchen. Erst am Nachmittag waren alle Teams in Sicherheit gebracht und es konnte endlich Entwarnung gegeben werden. Es hat sich herausgestellt, dass viele von den erfahrenen Mushern rechtzeitig Schutz gesucht hatten und den Orkan gut überstanden haben.
 
Fazit
Der Femundlopet 2015 war ein Rennen, das nicht nur bei uns in die Geschichte eingehen wird.  Ich bin zwar „nur“ 200 km gefahren, die waren dafür aber umso intensiver. Wir als Burning Snow Team haben viel gelernt und wertvolle Erfahrungen für die Rennen in den nächsten Jahren gesammelt. 
 
Unser Song des Rennens

Walk on through the wind
Walk on through the rain
Though your dreams be tossed and blown
Walk on, walk on

When you walk through the storm hold your head up high
And don't be afraid of the dark
At the end of the storm there's a golden sky.
(“You’ll never walk alone” in einer Version Johnny Cash )

3 Kommentare:

Eva und Erwin hat gesagt…

Vielen Dank für den tollen Rennbericht. Jetzt kann man noch besser alles nachvollziehen. Auch wir haben die ganze Zeit mitgefiebert und die Daumen gedrückt. Das habt Ihr alle spitzenmäßig gemacht. Großartig, dass sich das Burning Snow Team einfach nicht unterkriegen läßt!

Viele Grüße aus Niedersachsen!

Jenni hat gesagt…

Wow Michi, vielen Dank für diesen spannenden Bericht! Da habt ihr aber wieder was erlebt! Aber wie man sieht, hattest du bzw ihr Beide als Team mit euren super Hunden die Lage im Griff! Auf viele weitere Burning Snow Abenteuer die noch kommen werden!Viele liebe Grüße von Jenni

anne&rainer hat gesagt…

Hallo, ihr Lieben,das sind ja irre Nachrichten! Nun wissen wir also, warum es streckenweise so zuckelig ging. Auf dem GPS kann man ja immer nur erahnen, was da los ist. Aber dass es so schlimm wird....und ihr seid ja "alte Hasen". Die armen Frischlinge aus dem Junior - Lauf! Wie schön zu hören, dass es allen Hunden auch wieder gut geht und alle alles richtig gemacht haben. Ihr seid eben ein tolles Team! Viele Grüße aus Rostock